Am kommenden Wochenende ruft ein Netzwerk in der Partei DIE LINKE den längst überfälligen Aufstand gegen den Linkskonservatismus aus. Hoffentlich fühlen sich die Gegner*innen auch angesprochen.
Emanzipatorische Linke Berlin
Viele stören sich an der Art und Weise, wie Sarah Wagenknecht Politik macht. Sie polemisiert über die Partei in den großen Medien, baut parallele Strukturen auf, und bewegt sich mit ihren Positionen zunehmend weg von Beschlüssen auf Parteitagen. Andere arbeiten sich vor allem an ihren Inhalten ab, z.B. an ihrer Entsolidarisierung mit weiten Teilen der Prekarisierten in Deutschland, der EU und an den EU Außengrenzen, an ihren „kreativen“ Wirtschaftspositionen, die sie selbst in einem ihrer Bücher „Linkskonservatismus“ nennt, und erst recht an den immer absurder werdenden Anbiederungen an Coronaleugner*innen und das Russische Regime. Fakt ist, der Unmut in der Partei wird von Jahr zu Jahr größer, soweit, dass ihre Anhänger*innen bei den letzten Bundesparteitagen nicht mehr in den Bundesvorstand gewählt wurden. Angesichts zunehmender Isolation erscheint die unverminderte Eskalation von Sarahs Seite als ein Kamikazekurs, der immer stärker polarisiert, und dabei die Kontroversen entlang der Parteiströmungen immer stärker überlagert. Am kommenden Wochenende lädt nun ein offenes strömungsübergreifendes Netzwerk, die Initiative Solidarische Linke, nach Berlin zur Beratung, und zum Aufstand gegen den Linkskonservatismus – ein sehr zu begrüßender Versuch, den Wandel zu beschleunigen, der bereits begonnen hat, in der Hoffnung, dass noch möglichst viel von der Partei übrig ist, bevor sie sich endlich mit einer klaren Ausrichtung ihren gesellschaftlichen Aufgaben stellen kann.
Der Fokus auf „Linkskonservatismus“ erzeugt jedoch auch ein größeres Fragezeichen: Fühlen sich die Coronaleugner*innen in der Partei, die Putin-Fans, die Gegner*innen des veganen Schnitzels und des Genderns von Sprache, die Freund*innen des autoritären Sozialismus und der Sicherung von Außengrenzen, die obsessiven Antizionist*innen – fühlen sich diese Spezialist*innen angesprochen, wenn die Partei einmal beschließen sollte: Linkskonservatismus, nein Danke? Als Selbstbezeichnung ist dieser Begriff bisher eine Randerscheinung. Unser Eindruck aus vielen Jahren Diskussion über diese Themen ist, dass sich die Vertreter*innen dieser Haltungen in der Regel zum Linken Flügel zählen. Dem wurde bisher viel zu selten widersprochen. Eine plötzliche Einsicht, statt zur revolutionären Avantgarde der alten Schule, doch eher zu dem Club der Wertkonservativen zu gehören, scheint nicht wahrscheinlich. Seit Jahren rätselt diese Klientel darüber, warum so manche ihrer Losungen und Positionen vom rechten Lager rund um die AfD geteilt werden, ohne den leisesten Hauch von Einsicht in etwaige Fehleinschätzungen.
Am deutlichsten wird der Kontrast zwischen Innen- und Außenwahrnehmung aktuell beim Thema Russland. Da wird jede noch so absurde prorussische Propaganda weiter verbreitet, wird die stetige Faschisierung von Putins Russland ignoriert, werden linke Unterstützer*innen der Ukraine zu NATO-Freunden erklärt, weil das Denken jenseits dieser Schablone nicht mehr möglich scheint. Auch über die unkritische Solidarität mit autoritären Regimes in Lateinamerika – mit Kuba, Venezuela, Nicaragua – können viele Linke seit Jahren nur noch irritiert den Kopf schütteln. Und auch die Gegner*innen der EU in der Linkspartei halten sich für radikal links, weil radikal dagegen. Dieser wirklich sehr einfach logische (Kurz-)Schluss wäre fast ein bisschen putzig, wenn er nicht so traurige Folgen für die Handlungsfähigkeit der Linken in Europa hätte. Einige, die sich als links-außen in der PDL sehen, werden nicht Müde davor zu warnen, dass die Kritik am Kapitalismus in Vergessenheit gerät, weil sich Linke mit dem Gendern von Sprache beschäftigen – als wäre es schwer zu verstehen, dass zwischenmenschlicher Respekt und Anerkennung keine Nebensächlichkeiten für die Schaffung einer Welt der Freiheit, Gleichheit und Solidarität sind. Wieder andere, die sich als die linkesten Linken sehen, beharren darauf, dass der radikale politische Islamismus ein natürlicher Verbündeter der Linken sei, scheinbar schlicht, weil es ein Gründer dieser Strömung so bestimmt hat. Damit ihnen selbst bei ihren Kampagnen nicht mulmig wird, verzieren sie die Solidarität mit Hamas, Hisbollah, den Muslimbrüdern und Revolutionsgarden gerne mit besonders vielen Zitaten linker Klassiker und den besten linken Schlachtrufen der 70er, 80er und 90er. Und schließlich, Klimapolitik: Nach der letzten Wahl zeigte die Bundestagsfraktion den Ökosozialist*innen mit der Wahl von Klaus Ernst in den Klimaausschuss noch einmal den ganz großen Mittelfinger. Und wieder kommen sie mit dem Argument, dass Linke sich mit „wirklich linken“ Themen zu beschäftigen hätten.
Wie andere zeigen werden, lässt sich solide argumentieren, dass diese Fisimatenten durchaus schlüssig als Linkskonservatismus zusammen zu fassen sind, weit über das wirtschaftspolitische Konzept hinaus, das Sarah damit meint. Nur sollte das Selbstbild der Protagonist*innen nicht vergessen werden. Es ist womöglich notwendig, dieses öfter in Frage zu stellen, was wiederum erfordert, die Perspektive der Kritik klarer zu verorten. Uns scheint, die Initiative Solidarische Linke ist ein guter strömungsübergreifender Ausgangspunkt, in Anbetracht des in vieler Hinsicht unsolidarischen Charakters der oben beschriebenen Querschläge.